Überreizt und unterfordert – Wie Hochbegabte mit Sinnesreizen umgehen
Hochbegabte Kinder und Erwachsene erleben die Welt oft intensiver als andere. Sie nehmen Reize stärker wahr, reagieren empfindlicher auf Veränderungen und haben gleichzeitig einen ausgeprägten Drang, intellektuell gefordert zu werden. Diese Empfindsamkeit, auch als „Overexcitabilities“ nach Dabrowski bekannt, kann sowohl eine Bereicherung als auch eine Herausforderung sein. In diesem Beitrag werfen wir einen Blick auf die Ursachen von Über- und Unterreizung, ihre Auswirkungen und konkrete Tipps zum Umgang damit.
Was sind Overexcitabilities?
Der Psychologe Kazimierz Dabrowski prägte den Begriff „Overexcitabilities“ (Übererregbarkeiten), um die verstärkte Reaktionsfähigkeit hochbegabter Menschen auf innere und äußere Reize zu beschreiben. Diese Überempfindlichkeiten können in fünf Bereichen auftreten:
1. Intellektuell
- Ständige Suche nach Wissen und Herausforderungen.
- Schnell gelangweilt bei einfachen Aufgaben.
- Häufiges Hinterfragen von Regeln und Strukturen.
2. Emotional
- Intensive Gefühle und starke Empathie.
- Neigung zu Angst, Frustration oder Perfektionismus.
- Häufige Stimmungsschwankungen und emotionale Tiefs.
3. Psychomotorisch
- Hoher Bewegungsdrang und Rastlosigkeit.
- Schnelles Sprechen und gestikulierende Bewegungen.
- Unruhe, die oft mit ADHS verwechselt wird.
4. Sinnlich (sensorisch)
- Überempfindlichkeit gegenüber Geräuschen, Licht oder Berührungen.
- Probleme mit bestimmten Texturen von Kleidung oder Essen.
- Überwältigende Reaktionen auf Musik, Kunst oder Natur.
5. Vorstellungsvermögen (Imaginär)
- Reiche Fantasiewelt und Tagträumerei.
- Starke Neigung zu kreativen Projekten und Geschichten.
- Schwierigkeiten, zwischen Realität und Fantasie zu unterscheiden.
Die Balance zwischen Über- und Unterreizung
Überreizung: Hochbegabte Kinder reagieren oft überempfindlich auf Sinneseindrücke, was zu Stress, Erschöpfung oder Wutausbrüchen führen kann. Sie fühlen sich von lauten Geräuschen, Menschenmengen oder sogar bestimmten Gerüchen überwältigt.
Unterforderung: Fehlen intellektuelle Reize, können Hochbegabte ebenso unterstimuliert sein. Dies äußert sich in Langeweile, Rückzug oder Provokation. Sie suchen dann nach Möglichkeiten, sich selbst zu beschäftigen – oft auf unkonventionelle Weise.
Praktische Tipps zum Umgang mit Reizempfindlichkeit
1. Umfeld anpassen:
- Reduziere laute Geräusche, helle Lichter oder überfüllte Räume.
- Schaffe Rückzugsorte mit ruhiger Atmosphäre, z.B. eine Kuschelecke oder einen abgedunkelten Raum.
2. Reize gezielt dosieren:
- Statt alle Reize auszublenden, wähle gezielt positive Impulse wie Naturgeräusche oder sanfte Musik.
- Nutze Fantasiegeschichten oder Meditation zur Entspannung.
3. Bewegung einbauen:
- Trampoline, Klettergerüste oder Bewegungsspiele helfen, überschüssige Energie abzubauen.
- Fördere Bewegungspausen, um Stress zu vermeiden.
4. Gefühle reflektieren:
- Unterstütze dein Kind dabei, seine Emotionen zu benennen und zu verstehen.
- Ein Emotions-Tagebuch oder kreative Ausdrucksformen wie Malen können helfen.
5. Förderung anpassen:
- Biete Herausforderungen in Form von Rätseln, Spielen oder wissenschaftlichen Projekten an.
- Achte darauf, dass Überforderung vermieden wird – kleine Schritte und Erfolgserlebnisse zählen.
Fazit: Hochbegabung bewusst begleiten
Hochbegabung ist eine Quelle für außergewöhnliche Talente, aber auch für besondere Herausforderungen. Der Umgang mit Überreizung und Unterforderung erfordert Geduld, Verständnis und kreative Lösungen. Indem Eltern und Lehrkräfte die Bedürfnisse hochbegabter Kinder erkennen und gezielt darauf eingehen, können sie ihnen helfen, ihr volles Potenzial zu entfalten.
Welche Erfahrungen hast du mit Reizempfindlichkeit gemacht? Teile sie gerne in den Kommentaren – ich freue mich auf den Austausch!
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Hinweis
Hochbegabung hat, wie mein Motto sagt, viele Gesichter.
Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass nicht jeder Hochbegabte all diese Facetten zeigt. Hochbegabung bedeutet nicht, dass alle Hochbegabten die gleichen Herausforderungen, Eigenschaften oder Stärken haben. Vielmehr gibt es eine Vielfalt an Möglichkeiten, wie sich Hochbegabung äußern kann – aber auch Bereiche, in denen sie nicht in Erscheinung tritt.
Die beschriebenen Erfahrungen und Eigenschaften sind Optionen, keine universellen Merkmale. Genauso wie nicht jeder Hochbegabte tief reflektiert, mit existenziellen Fragen ringt oder sich schwer abgrenzen kann, gibt es andere, bei denen diese Aspekte ausgeprägt sind. Hochbegabung ist individuell und einzigartig – und genau das macht sie so vielschichtig und spannend.