Hochstapler-Syndrom und Hochbegabung: Warum viele Hochbegabte an sich zweifeln

Das Hochstapler-Syndrom (Impostor Syndrome) beschreibt das Phänomen, dass Menschen trotz offensichtlicher Erfolge das Gefühl haben, ihre Leistungen seien nicht echt oder nicht verdient. Sie glauben, dass sie nur durch Zufall, Glück oder Täuschung an ihre Position gekommen sind und fürchten ständig, als „Betrüger“ entlarvt zu werden. Diese Selbstzweifel sind irrational, aber sie können tief verwurzelt sein und das Leben der Betroffenen stark beeinflussen.

Während das Hochstapler-Syndrom viele Menschen betrifft – darunter Studierende, Führungskräfte oder Kreative – tritt es besonders häufig bei hochbegabten Menschen auf. Doch warum gerade sie?


Hochbegabung bedeutet, dass ein Mensch in bestimmten Bereichen über außergewöhnliche Fähigkeiten verfügt. Allerdings wird Hochbegabung nicht immer mit Selbstvertrauen oder Erfolgserlebnissen begleitet. Hochbegabte sind besonders anfällig für das Hochstapler-Syndrom aus mehreren Gründen:

1. Frühe Diskrepanz zwischen Denken und Umfeld

Hochbegabte Kinder erkennen oft früh, dass sie anders denken als Gleichaltrige. Während andere sich spielerisch mit einfachen Themen beschäftigen, denken sie bereits komplex und tiefgründig. Wenn dieses Anderssein von ihrem Umfeld nicht positiv bestätigt, sondern stattdessen als „merkwürdig“ empfunden wird, beginnen viele, an sich zu zweifeln.

2. Perfektionismus und überhöhte Erwartungen

Hochbegabte setzen sich oft extrem hohe Maßstäbe und haben einen starken inneren Antrieb zur Perfektion. Sie nehmen ihre Fehler schärfer wahr als andere und glauben, dass sie sich immer weiter verbessern müssen. Selbst wenn sie objektiv gesehen überdurchschnittliche Leistungen erbringen, empfinden sie ihre Arbeit oft als unzureichend.

3. Fehlendes Feedback und fehlende Herausforderung

Da viele Aufgaben für Hochbegabte leicht fallen, erhalten sie oft wenig oder gar kein wertschätzendes Feedback. Stattdessen hören sie Sätze wie „Das war doch einfach“ oder „Das kannst du doch eh“. Dadurch kann es passieren, dass sie ihre eigenen Fähigkeiten nicht als besondere Leistung wahrnehmen und denken, sie hätten nichts erreicht.

4. Vergleich mit anderen Hochbegabten

Wenn hochbegabte Menschen auf andere Hochbegabte treffen, fällt ihnen oft zum ersten Mal auf, dass sie nicht die „Schlauesten“ im Raum sind. Dieses Gefühl kann tief verunsichern und verstärken den Gedanken: „Vielleicht bin ich doch nicht so klug, wie alle denken?“

5. Intellektuelle Bescheidenheit

Hochbegabte neigen dazu, ihr Wissen und ihre Fähigkeiten infrage zu stellen. Sie sind sich bewusst, wie viel sie nicht wissen, und messen sich oft an den höchsten Standards – was dazu führt, dass sie ihre eigene Intelligenz unterschätzen.


Das Hochstapler-Syndrom kann sich auf viele Arten zeigen, darunter:

  • Selbstzweifel: „Ich bin gar nicht so klug, wie andere denken.“
  • Angst vor Entlarvung: „Irgendwann merken alle, dass ich eigentlich nichts kann.“
  • Leistungen kleinreden: „Das war nur Glück – das könnte jeder.“
  • Übermäßige Vorbereitung: Betroffene arbeiten doppelt so hart, um nicht als Betrüger aufzufallen.
  • Prokrastination: Aufgaben werden aufgeschoben, aus Angst, sie nicht perfekt zu erledigen.
  • Vergleichsdenken: Ständige Vergleiche mit anderen, die angeblich besser sind.

Das Hochstapler-Syndrom wurde erstmals in den 1970er-Jahren von den Psychologinnen Pauline Clance und Suzanne Imes beschrieben. Sie fanden heraus, dass insbesondere leistungsstarke Menschen in akademischen oder beruflichen Umfeldern betroffen sind. Studien zeigen, dass bis zu 70 % aller Menschen in ihrem Leben mindestens einmal Hochstapler-Gefühle erleben.

Bei Hochbegabten ist diese Zahl noch höher, da sie oft ein starkes Bewusstsein für ihre eigenen Schwächen haben – selbst wenn diese objektiv gesehen kaum ins Gewicht fallen.


Wenn du dich in diesen Punkten wiedererkennst, bist du nicht allein. Viele Hochbegabte haben ähnliche Erfahrungen gemacht. Doch es gibt Strategien, die helfen:

  1. Fakten statt Gefühle: Schreibe deine Erfolge auf und reflektiere objektiv, was du erreicht hast.
  2. Akzeptiere Lob: Wenn jemand deine Leistung anerkennt, nimm es an – ohne Relativierung.
  3. Vergleich dich nicht zu viel: Konzentriere dich auf deine eigenen Stärken, statt dich an anderen zu messen.
  4. Lerne, mit Fehlern umzugehen: Perfektion ist eine Illusion. Fehler gehören zum Lernen dazu.
  5. Netzwerk mit Gleichgesinnten: Sprich mit anderen Hochbegabten über ihre Erfahrungen. Das hilft, ein realistischeres Selbstbild zu entwickeln.
  6. Therapeutische Unterstützung: Ein Coaching oder eine Therapie kann helfen, destruktive Denkmuster zu erkennen und langfristig zu verändern.
  7. Kognitive Umstrukturierung: Trainiere dich darauf, negative Gedanken zu hinterfragen und realistischere, positive Selbstbewertungen zu entwickeln.

Das Hochstapler-Syndrom ist besonders unter Hochbegabten verbreitet, weil sie ihre Fähigkeiten oft nicht als außergewöhnlich empfinden. Doch diese Selbstzweifel sind unbegründet. Wer erkennt, dass Hochbegabung nicht bedeutet, „alles können zu müssen“, kann sich von diesen Ängsten befreien und sein volles Potenzial ausschöpfen.


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Hochbegabung hat viele Gesichter…

Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass nicht jeder Hochbegabte all diese Facetten zeigt. Hochbegabung bedeutet nicht, dass alle Hochbegabten die gleichen Herausforderungen, Eigenschaften oder Stärken haben. Vielmehr gibt es eine Vielfalt an Möglichkeiten, wie sich Hochbegabung äußern kann – aber auch Bereiche, in denen sie nicht in Erscheinung tritt.

Die beschriebenen Erfahrungen und Eigenschaften sind Optionen, keine universellen Merkmale. Genauso wie nicht jeder Hochbegabte tief reflektiert, mit existenziellen Fragen ringt oder sich schwer abgrenzen kann, gibt es andere, bei denen diese Aspekte ausgeprägt sind. Hochbegabung ist individuell und einzigartig – und genau das macht sie so vielschichtig und spannend.

Comments

  1. […] kann dies dazu führen, dass sie als Erwachsene an Selbstzweifeln, Perfektionismus oder dem Hochstapler-Syndrom […]

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