Hochbegabte Kinder sind nicht nur kognitiv herausragend, sondern auch emotional besonders sensibel. Diese Intensität kann zu Herausforderungen führen, insbesondere wenn es um die Regulation von Emotionen geht. In diesem Beitrag erfährst du, warum Emotionsregulation bei hochbegabten Kindern so wichtig ist, welche Schwierigkeiten auftreten können und welche Strategien Eltern und Lehrkräfte unterstützen können.
Was ist Emotionsregulation?
Emotionsregulation beschreibt die Fähigkeit, eigene Gefühle zu erkennen, zu steuern und angemessen auszudrücken. Sie ermöglicht es, in stressigen oder emotional belastenden Situationen ruhig zu bleiben und zielorientiert zu handeln.
Gut entwickelte Emotionsregulation:
- Kinder bleiben ruhig, auch wenn sie sich geärgert haben.
- Sie können Probleme analysieren, ohne emotional überzureagieren.
- Sie zeigen Empathie und können Kompromisse schließen.
Schlecht entwickelte Emotionsregulation:
- Wutanfälle bei kleinen Frustrationen.
- Rückzug aus sozialen Situationen.
- Überforderung bei Veränderungen oder Misserfolgen
Die besondere Herausforderung bei hochbegabten Kindern
Verstärkte Emotionen und Reaktionen
Hochbegabte Kinder erleben Emotionen oft intensiver als andere. Kleine Konflikte oder Enttäuschungen können bei ihnen extreme Reaktionen auslösen. Dies liegt unter anderem an einer stärkeren Aktivität ihres limbischen Systems, das für die Verarbeitung von Gefühlen zuständig ist.
Beispiel:
Ein hochbegabtes Kind könnte sich weigern, nach dem Sportunterricht in die Klasse zurückzukehren, weil es sich von anderen Kindern ausgeschlossen fühlt. Diese starke emotionale Reaktion kann schwer zu verstehen sein, ist aber Ausdruck von Überforderung.
Unterschied zwischen sozialer und emotionaler Reife
Oft wird angenommen, dass hochbegabte Kinder auch sozial-emotional weiter entwickelt sind – das ist jedoch ein Trugschluss. Während ihre kognitiven Fähigkeiten weit über dem Durchschnitt liegen, entwickelt sich ihre Emotionsregulation genauso wie bei anderen Kindern und kann daher hinter ihrem geistigen Alter zurückbleiben.
Ursachen für Schwierigkeiten bei der Emotionsregulation
1. Perfektionismus und Selbstkritik:
Hochbegabte Kinder setzen sich oft selbst unter Druck und haben Angst zu versagen. Dies kann zu Frustration, Wut oder Rückzug führen.
2. Sensorische Überempfindlichkeit:
Viele hochbegabte Kinder reagieren besonders sensibel auf Reize wie Lärm oder Licht. Diese Überreizung kann das limbische System überfordern und emotionale Ausbrüche auslösen.
3. Kognitive Komplexität:
Ihr fortgeschrittenes Denken ermöglicht es ihnen, komplexe Fragen über Ethik, Gerechtigkeit oder Verantwortung zu stellen, die sie emotional überfordern können, da ihnen die Lebenserfahrung fehlt, diese Gedanken einzuordnen.
Strategien zur Unterstützung von hochbegabten Kindern
1. Emotionen benennen und anerkennen:
Kinder lernen durch Vorbilder. Zeige ihnen, wie man Emotionen beschreibt und akzeptiert. Sätze wie „Ich verstehe, dass du wütend bist“ helfen, Gefühle zu validieren.
2. Atem- und Entspannungstechniken:
Atemübungen oder kurze Meditationen helfen Kindern, sich in stressigen Momenten zu beruhigen. Übe diese Techniken gemeinsam in ruhigen Momenten, damit sie sie in schwierigen Situationen selbstständig anwenden können.
3. Kreative Ausdrucksmöglichkeiten fördern:
Ermutige Kinder, ihre Emotionen durch Kunst, Musik oder Bewegung auszudrücken. Kreativität kann helfen, innere Spannungen abzubauen und Gefühle besser zu verarbeiten.
4. Problemorientiertes Denken entwickeln:
Hilf Kindern, Lösungswege zu erarbeiten. Stelle Fragen wie: „Was könntest du nächstes Mal anders machen?“ oder „Wie können wir das Problem gemeinsam lösen?“ So entwickeln sie Selbstvertrauen und Handlungsstrategien.
5. Struktur und Vorhersehbarkeit schaffen:
Ein klarer Tagesablauf bietet Sicherheit. Hochbegabte Kinder profitieren von festen Routinen, die ihnen helfen, sich emotional zu stabilisieren. Gleichzeitig sollten sie schrittweise Flexibilität lernen, um auf Veränderungen vorbereitet zu sein.
Wenn zusätzliche Hilfe nötig ist
Manchmal reichen Strategien im Alltag nicht aus, um die Emotionsregulation ausreichend zu fördern. Hier kann professionelle Hilfe sinnvoll sein:
- Psychologische Beratung: Unterstützung bei der Entwicklung von Emotionsregulationsstrategien.
- Sensorische Integrationstherapie: Für Kinder mit Reizüberflutung oder sensorischen Überempfindlichkeiten.
- Verhaltenstherapie: Zur Förderung sozialer Kompetenzen und Stressbewältigung.
Die Rolle der Eltern und Lehrkräfte
Eltern als emotionale Anker:
Kinder orientieren sich stark an ihren Eltern. Wenn Eltern ruhig und verständnisvoll reagieren, lernen Kinder, Emotionen besser zu regulieren. Gleichzeitig ist es wichtig, klare Regeln und Strukturen zu schaffen.
Lehrkräfte als Unterstützer:
Lehrer können hochbegabte Kinder unterstützen, indem sie differenzierten Unterricht anbieten, individuelle Bedürfnisse berücksichtigen und auf emotionale Herausforderungen eingehen.
Fazit:
Emotionsregulation ist ein lebenslanger Lernprozess – besonders für hochbegabte Kinder, die Emotionen intensiver erleben. Mit Empathie, Geduld und den richtigen Strategien können Eltern und Lehrkräfte ihnen helfen, ihre Gefühle besser zu verstehen und zu steuern.
Wichtigster Tipp: Bleibe im Gespräch mit deinem Kind, schaffe eine sichere Umgebung und nutze praktische Übungen, um das emotionale Gleichgewicht zu stärken. So kann dein Kind seine Talente optimal entfalten und gleichzeitig ein gesundes Selbstbewusstsein entwickeln.
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Hinweis
Hochbegabung hat, wie mein Motto sagt, viele Gesichter.
Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass nicht jeder Hochbegabte all diese Facetten zeigt. Hochbegabung bedeutet nicht, dass alle Hochbegabten die gleichen Herausforderungen, Eigenschaften oder Stärken haben. Vielmehr gibt es eine Vielfalt an Möglichkeiten, wie sich Hochbegabung äußern kann – aber auch Bereiche, in denen sie nicht in Erscheinung tritt.
Die beschriebenen Erfahrungen und Eigenschaften sind Optionen, keine universellen Merkmale. Genauso wie nicht jeder Hochbegabte tief reflektiert, mit existenziellen Fragen ringt oder sich schwer abgrenzen kann, gibt es andere, bei denen diese Aspekte ausgeprägt sind. Hochbegabung ist individuell und einzigartig – und genau das macht sie so vielschichtig und spannend.
Quellen
- Dawson, P., & Guare, R. (2018). Slim maar… Hogrefe Uitgevers.
- Daniels, S., & Piechowski, M. M. (2009). Living with Intensity: Understanding the Sensitivity, Excitability, and Emotional Development of Gifted Children, Adolescents, and Adults. Gifted Unlimited, LLC.
- Van der Kolk, B. (2016). Traumasporen: Het herstel van lichaam, brein en geest na overweldigende ervaringen. Uitgeverij Mens.
- Walker, P. (2013). Complex PTSD: From Surviving to Thriving. CreateSpace Independent Publishing Platform.
- Porges, S. W. (2019). De polyvagaaltheorie en de transformerende ervaring van veiligheid. Uitgeverij Mens